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Familienfreundliche Arbeitsbedingungen in der Architekturbranche

Wie können Architekt:innen Beruf und Familie unter einen Hut bringen?

Die Frage der Vereinbarkeit von Beruf und Familie stellt sich in vielen Berufen – nicht nur in der Architektur. Es scheint aber, dass die Architektur mit den ihr spezifischen Rahmenbedingungen die Vereinbarkeit besonders erschwert. Wo lässt sich ansetzen, um die vorherrschende Praxis des Berufsfelds aufzubrechen?

Noch ein weiter Weg

Auch ein halbes Jahrhundert nach Einführung des Frauenstimmrechts und 40 Jahre nach der Verankerung der Gleichstellung in der Verfassung sind Frauen in der Schweiz in der Architekturbranche zwar keine Seltenheit mehr aber noch immer stark untervertreten. Und dies obwohl schweizweit beim Architekturstudium seit einigen Jahren praktisch Geschlechterparität herrscht. Annette Helle, Professorin und Leiterin Institut Architektur der Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik FHNW, dipl. Architektin ETH SIA, Architekturbüro Helle Architektur GmbH, fragt in ihrem einleitenden Referat denn auch, wie es kommt, dass Frauen in der Architekturwelt nach wie vor so stark unterrepräsentiert sind?

Die Zäsur kommt mit dem Berufseinstieg respektive spätestens dann, wenn die Familiengründung ansteht. Die Gründe dafür sind gemäss Christina Schumacher, Dozentin für Sozialwissenschaften am Institut Architektur FHNW, vielschichtig. Ein wichtiger Katalysator für Veränderung sieht sie in «neuen Vätern». In gleichberechtigten heterosexuellen Partnerschaften, wird nicht von einem Partner verlangt, zu Gunsten der Familie auf die eigene Karriere zu verzichten, sondern werden die Aufgaben so aufgeteilt, dass beide Elternteile sich sowohl beruflich verwirklichen als auch um die Familie kümmern können.

Annette Helle wiederum sieht die Hochschulen ebenfalls in der Pflicht. Sie müssen mithelfen, eine Bewusstseinsänderung herbeizuführen. Denn gesellschaftspolitische Rahmenbedingungen lassen sich nur langsam ändern. Für neue Massstäbe im Berufsfeld und in der täglichen Praxis bedarf es einer kritischen Auseinandersetzung mit der Zeitkultur des Berufes. Sie plädiert dafür, dass bereits während der Ausbildung das Bewusstsein für das Thema Berufs- und Familienplanung geschärft und gleichzeitig ein strategischer Ansatz für eine bessere Vereinbarkeit entwickelt wird. Dazu zählen Themen wie Lohngleichheit ebenso wie Teilzeitarbeit oder Elternzeit.

Weibliche Role Models gesucht

Obwohl Architektur lange Zeit Männern vorbehalten war, haben Frauen in der Architekturgeschichte längst bewiesen, dass sie sich nicht hinter ihren männlichen Kollegen zu verstecken brauchen. Für eine Chancengleichheit der Geschlechter müssen gemäss Friederike Kluge, Professorin für Analyse, Entwurf und Konstruktion an der Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik FHNW, Dipl.-Ing. Architektin, Geschäftsführung/Mitinhaberin Alma Maki GmbH, aber noch einige Lücken geschlossen werden. Angefangen bei einem beruflichen Wertewandel; denn noch heute werden fehlerhafte Rollenbilder vermittelt. Das weithin gepflegte Selbstbild vom kreativen Architekten im einsamen Kämmerlein muss dringend kritisch beleuchtet werden. Weiter müssen Führungsverantwortliche ebenso wie Architekt:innen selbst erkennen, dass auch bei geringerem Zeitaufwand, auf Grund von familiären Verpflichtungen, ihr Beruf professionell und kreativ ausgeübt werden kann. Aber – als Einzelperson ist es nur sehr schwer bis nicht zu schaffen. Zusammengefasst sieht Friederike Kluge acht Ansatzpunkte:

  • Familie ist ein gesamtgesellschaftliches Projekt, das im Interesse aller ist.
  • Teilzeitarbeit muss für Männer wie Frauen in allen Positionen möglich sein.
  • Es braucht Vorbilder, die Arbeit und Familienalltag auf gute Weise verbinden.
  • Eine gleichberechtigte Zusammenarbeit der Elternteile ist Voraussetzung.
  • Vereinbarkeit setzt das gegenseitige Vertrauen aller voraus.
  • Ein fairer Lohn und faire Arbeitsbedingungen sind Grundvoraussetzung.
  • Rigide Arbeitsstrukturen müssen ersetzt werden, um Flexibilität zu ermöglichen.
  • Das Leben mit Kindern ist lehrreich für das Schaffen von Lebensräumen.